Kraut- und Braunfäule bei Tomaten

Biologie kennen – Maßnahmen ableiten

Diesen Sommer 2021 mussten sich viele Gärtner und Tomatenanbauer der Herausforderung stellen: der Befall durch die Kraut- und Braunfäule. Die pilzähnlichen Alge, Phytophtora infestans, auch Eipilz genannt, befällt vor allem Kartoffel- und Tomatenpflanzen. Es ist immer gut seinen „Feind“, oder besser, seinen Herausforderer zu kennen. Denn wenn man sich die Biologie des „aggressiven Gesellen“ etwas näher anschaut, ist es möglich, Maßnahmen abzuleiten bzw. bekannte Maßnahmen besser zu verstehen.

Kraut- und Braunfäule – Entwicklungszyklus einer Spore

Der Erreger der Kraut- und Braunfäule durchläuft einen bestimmten Entwicklungszyklus mit mehreren verschiedenen Entwicklungsschritten. Die pilzähnliche Alge vermehrt und verbreitet sich über sogenannte Sporen, ähnlich wie wir es von Pilzen kennen.

Beste Bedingungen – kühl und feucht

Trifft eine Spore aus der Luft oder dem Boden auf ein trockenes Blatt – passiert erst einmal gar nichts. Interessant wird es, wenn sich bestimmte Bedingungen ergeben. Dabei hat jeder Entwicklungsschritt der Spore sein spezielles Temperaturoptimum. Allgemein gut für die Entwicklung des Eipilzes, sind Temperaturen zwischen 15 – 25°C. Gleichzeitig liegt die optimale Luftfeuchte bei 95 – 100 %, wie z.B. im Sommer 2021.

Keimung der Spore

Hält sich ein Wassertropfen bzw. eine Luftfeuchte von 95 – 100 % auf dem Tomatenblatt durchgehend 10 – 15 Stunden lang, beginnt die Spore zu keimen und dringt aktiv mit ihrem Keimschlauch in das Blattgewebe ein.

Bildung des Myzels

Innerhalb des Blattgewebes wächst, ähnlich wie bei Pilzen, ein Myzel. Dies ist ein Geflecht aus fadenförmigen Zellen, welches das Blatt durchzieht und somit dieses zerstört. Wir können den Befall nun erkennen: unregelmäßige dunkelgraue Flecken auf dem Tomatenblatt. Ebenso können Stängel und Früchte befallen werden.

Kraut- und Braunfäule Blattoberseite

Oberseite eines Tomatenblattes nach Befall mit Kraut- und Braunfäule

Bildung neuer Sporen

Aus dem Myzel bilden sich wiederum Traghyphen mit Sporangien, ähnlich kleinen Bäumchen, die aus der Unterseite des Blattes wachsen. Die kapselartigen Sporangien enthalten wiederum viele neu gebildete Sporen, die nur einem Zweck dienen – die Verbreitung des Eipilzes. Dies können wir an der Blattunterseite des befallenen Blattes erkennen: ein weißlich grauer Rasen, ähnlich Schimmelpilz.

Kraut- und Braunfäule bei Tomaten

Unterseite eines Tomatenblattes mit weißlich grauen Rasen – Befall durch Kraut- und Braunfäule

Ausbreitung der Infektion

Hält das feuchte Wetter an, kann sich die pilzähnliche Alge weiterverbreiten. Denn zur Entlassung der Sporen ist wieder eine Luftfeuchte von 100 % bzw. Tropfnässe nötig. Die Sporen werden dann durch Regen oder Wind zu anderen Pflanzenteilen bzw. Pflanzen weitergetragen und können dort ihren Zyklus wiederholen. Solch ein Zyklus dauert je nach Temperatur,  2 – 5 Tage. So ist es also möglich, dass sich große Bestände innerhalb kürzester Zeit infizieren können.

Phytophtora infestans Entwicklungszyklus

Abbildung: Entwicklungszyklus Phytophtora infestans a) Infiziertes Blatt c) Zoosporen d) Spore durchdringt mit Keimschlauch die Blattoberfläche und bildet Myzel innerhalb des Blattgewebes b) Traghyphen wachsen aus Blattunterseite mit kapselartigen Sporangien, die neu gebildete Zoosporen enthalten und später entlassen werden (Bildquelle: https://pl.wikipedia.org/wiki/Phytophthora_infestans)

Vorsprung durch geschlechtliche Vermehrung – Zoosporen und Oosporen

Wichtig zu wissen ist es, dass zwei verschiedene Arten von Sporen existieren. Es gibt sogenannte Zoosporen und Oosporen.

Zoosporen entstehen in einem ungeschlechtlichen, asexuellen, Entwicklungskreislauf. Dieser entspricht dem oben beschriebenen Entwicklungszyklus. Dabei sind die Zoosporen relativ kurzlebig. Das heißt, die Zoospore kann auf abgestorbenen Pflanzenmaterial nicht lange überleben.

Oosproren dagegen entstehen aus einem geschlechtlichen, sexuellen, Entwicklungskreislauf. Dabei müssen die Hyphen zwei verschiedener Paarungstypen, z.B. A1 und A2, aufeinander treffen. In einem tropfnassen Milieu verschmelzen sie und bilden nach bestimmten Entwicklungsschritten Oosporen. Diese Oosporen können ebenso Pflanzen infizieren und wiederum Zoosporen oder Oosporen bilden. Das Besondere der Oosporen resultiert aus dem sexuellen Entwicklungszyklus. Denn auf evolutionstechnischen Ebene hat eine sexuelle Fortpflanzung immer einen Vorteil: schnellere Anpassung an Umweltbedingungen. Außerdem sind Oosporen widerstandsfähige Dauersporen und können infolgedessen 3 – 4 Jahre im Boden oder in der Luft überleben.

 

Ableiten von Maßnahmen

Das Wichtigste – Tomatenpflanzen müssen schnell abtrocknen!

Das Wichtigste ist das Trockenhalten der oberirdischen Pflanzenteile der Tomatenpflanze bzw. die Möglichkeit der schnellen Abtrocknung der Pflanze. Denn zwei Entwicklungsschritte der Phytophtora infestans benötigen 95 – 100 % Luftfeuchte, einmal zur Keimung der Eipilz-Spore und zum anderen zur Entlassung der neu gebildeten Sporen. Um die Infektion oder spätestens die Verbreitung der Infektion zu verhindern, ist ein schnelles Abtrocknen der Pflanze unabdingbar.

Direkte Kulturmaßnahmen:

  • Möglichst von unten gießen
  • Abschütteln der Pflanze nach Regen
  • Bei Dauerregen hilft wohl nur ein Dach

Präventive Maßnahmen:

  • Pflanzabstand mindestens 70 cm fördert die Durchlüftung und führt zur schnelleren Abtrocknung der Pflanze
  • Mulchen verhindert bei Regen das Hochspritzen von Wasser mit Erregern aus dem Boden
  • sonnige Standorte wählen, um ein schnelles Abtrocknen durch Sonne zu fördern
  • Anbau unter Dachvorsprüngen, helfen vor zu viel Wasser von oben
  • Anbau an einer Hauswand oder Mauer: diese speichern Wärme und können das schnellere Abtrocknen der Pflanzen begünstigen

Bei Befall – schnell Handeln – Sofortmaßnahmen!

Ein Entwicklungszyklus dauert 2 – 5 Tage. Das heißt, unter bestimmten Umständen befällt schon nach 2 Tagen die nächste Generation des Eipilzes weitere Tomatenpflanzen. Deshalb sind bei feuchter regennasser Witterung regelmäßige Kontrollen der Pflanzen von Vorteil. Denn bei ersten Befall sollte man sofort reagieren! Ziel ist immer: zum einen für gute Durchlüftung und somit für eine schnellere Abtrocknung zu sorgen und zum anderen die Ausbreitung der Infektion zu verhindern:

  • unterste bodennahe Blätter entfernen
  • Seitentriebe und große Geiztriebe entfernen
  • Konsequent befallene Pflanzenteile aus dem Bestand entfernen
Kraut- und Braunfäule bei Tomaten

später und nur leichter Befall bei “Brad Atomic Grape” mit Kraut- und Braunfäule

Wachstumsstopp des Myzels – Hoffnung bei warmer trockener Witterung

Ganz klar, in dem Moment, in dem das Wetter warm und trocken wird, ist eine Verbreitung des Eipilzes von befallenen Pflanzen nicht möglich. Denn zur Entlassung der nächsten Generation Sporen wird ja ein tropfnasses Milieu gebraucht. Das ist schon mal eine gute Nachricht.

Gleichzeitig gibt es auch Hoffnung auf eine Ernte, wenn auch etwas verzögert. Das Myzel des Eipilzes wächst innerhalb des Blattes oder Stängels und breitet sich im Pflanzengewebe aus. Die Temperaturspanne für das Wachstum des Myzels liegt zwischen 4° und 26°C. (Wir hoffen natürlich, dass im Sommer die Temperaturen nicht unter 4°C fallen.) Klettern die Temperaturen jedoch über 26°C, stoppt das Wachstum des Myzels ebenfalls. Das Myzel ist zwar immer noch in der Pflanze vorhanden, aber es kann sich innerhalb des Pflanzengewebes nicht ausbreiten.

Die Chancen stehen also gut, dass unter diesen Bedingungen, vor allem wüchsige Tomatensorten, gesund weiterwachsen und neue Früchte hervorbringen können!

Infizierte Pflanzen auf den Kompost?

Wir erinnern uns, es gibt Zoosporen und Oosporen. Zoosporen überleben nur kurz auf abgestorbenen Pflanzenmaterial. Sind also nur Zoosporen vorhanden, besteht kein Problem für die Kompostierung von infizierten Pflanzenmaterial oder für den zukünftigen Tomatenanbau.

Oosporen dagegen sind Dauersporen und können 3 – 4 Jahre im Boden und in der Luft überleben, was wiederum gegen eine Kompostierung auf dem eigenen Kompost spricht.

Fazit: Der Eipilz mag es nass – wir lassen ihn auf dem Trockenen sitzen

Kennt man die Biologie des Erregers der Kraut- und Braunfäule, versteht man sofort, welche Maßnahmen man präventiv oder nach Befall sofort einleiten muss. Der Erreger der Kraut- und Braunfäule befindet sich fast überall in der Luft oder im Boden. Einige Entwicklungsschritte im Zyklus einer Spore setzen eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit bzw. tropfnasses Milieu voraus. Um eine Infektion mit Phytophtora infestans zu vermeiden, gilt als wichtigster Punkt, die oberirdischen Teile der Pflanzen trocken zu halten bzw. ein schnelles Abtrocknen der Pflanzen zu ermöglichen.

Bei ersten Befall sollte sofort reagiert werden! Die Entwicklung und Ausbreitung des Eipilzes kann unter bestimmten Bedingungen sehr schnell in wenigen Tagen passieren. Deshalb sollten bei feuchter Witterung die Tomatenpflanzen regelmäßig kontrolliert werden. Erste befallene Pflanzenteile werden sofort und konsequent entfernt, um eine weitere Verbreitung der Infektion zu verhindern.

Hoffnung bei trocken heißem Wetter! Die Kenntnis, dass das Wachstum des Eipilz-Myzels ab einer Temperatur von ca. 26°C stoppt, lässt hoffen. Denn wenn die Witterungsverhältnisse, wie schon oft in vergangenen Jahren, in heiß und trocken umschlagen, besteht dennoch Hoffnung auf eine gute Tomatenernte, insbesondere bei sehr frohwüchsigen Sorten.

Beispiele für sehr wüchsige Sorten: Rosii Marunte, Himbeerrose, Black Eagle uvm.

Um eine gewisse Sicherheit für eine gute Tomatenernte zu haben, ist es ratsam, einige Braunfäule tolerante Tomatensorten in die Tomatensortenauswahl mit einzubeziehen.